Weil wir immer häufiger Emails erhalten mit Fragen, ob die Tiefe Hirnstimulation auch für ihre Krankheit  Hilfe bietet, haben wir dieses Interview geführt und listen die Haupt - Indikationen auf.

Der Artikel wurde von Frau  Professorin Veerle  Visser - Vanderwalle verfasst:

 

 Direktorin  der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie

 

der Universitätskliniken Köln (AöR).

 

Die Videos wurden von uns als Beispiele hinzugefügt

 

 

veröffentlicht: 24.09.2016

Die Tiefe Hirnstimulation wird bei Bewegungsstörungen seit 1987 auf einer großen Skala weltweit durchgeführt, und seit Ende der 90-er Jahre auch bei psychiatrischen Erkrankungen. Insgesamt sind weltweit mehr als 120.000 Patienten mit einer Tiefen Hirnstimulation geholfen worden, der größte Anteil mit Bewegungsstörungen. Für jede Indikation gilt, dass es „die Behandlung der letzten Wahl“ ist, das bedeutet, dass es keine Möglichkeiten gibt, den Patienten mit nicht operativen Behandlungsmethoden weiterzuhelfen. Daneben ist es ganz wichtig, dass der Patient selber hoch motiviert für die Operation ist, und dass er in der Lage ist, ein sogenannten „informed consent“ zu unterschreiben, das bedeutet, dass er alle Informationen bezüglich den Möglichkeiten und Risiken gut versteht, und dass er damit einverstanden ist. Jede Indikation hat daneben spezifische Ein- und Ausschlusskriterien.

BEWEGUNGSSTÖRUNGEN UND TIEFE HIRNSTIMULATION

PARKINSON UND TIEFE HIRNSTIMULATION

 

Die Parkinsonerkrankung ist die häufigste Indikation, mit der man weltweit die meiste Erfahrung gesammelt hat. Basierend auf einem speziellen Test, dem sogenannte Levodopa-Test, können Vorhersagen gemacht werden, wie groß prozentual das Ergebnis sein wird. Üblicherweise kann der Patient eine Verbesserung der „Off-Phasen“ (Phasen mit geringerer Beweglichkeit) von 60 Prozent erwarten, woraufhin die Medikamente deutlich reduziert werden können.

 

Hilfe bei Parkinson durch Tiefe Hirnstimulation - Effekt Vorher - Nachher

ESSENTIELLER TREMOR UND TIEFE HIRNSTIMULATION

Essentieller Tremor ist die zweithäufigste Indikation. Diese Patienten können, wenn sie die Einschlusskriterien erfüllen, eine Verbesserung von rund 80 Prozent erzielen.

Hilfe bei Essentiellem Tremor durch Tiefe Hirnstimulation  - Behandlung -  Effekt  Vorher -Nachher

DYSTONIE UND TIEFE HIRNSTIMULATION

 

Dystonie ist die dritte Bewegungsstörung, der mit einer Tiefen Hirnstimulation geholfen werden kann. Dystonie ist eine sehr heterogene Erkrankung mit vererbbaren und sekundären Typen. Manche vererbbare Typen haben eine Erfolgsrate von 90 Prozent, während die sekundären Dystonien manchmal Ergebnisse zeigen, die weniger ausgeprägt sind.

 

 

Hilfe bei Dystonie durch Tiefe Hirnstimulation: Behandlung -  Effekt vorher / Nachher

PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN UND DIE TIEFE HIRNSTIMULATION

ZWANGSSTÖRUNG UND TIEFE HIRNSTIMULATION

 

 

Die Zwangsstörung ist die häufigste psychiatrische Indikation. Es ist die einzige psychiatrische Erkrankung, für die die THS durch die Krankenkassen vergütet wird, weil mehrere Langfriststudien gezeigt haben, dass es ein gutes Ergebnis gibt. Ein gutes Ergebnis bedeutet, dass mehr als 60 Prozent der Patienten eine Verbesserung auf der „YBOCS-Skala“ von mindestens 35 Prozent zeigen. Eine Linderung von 35 Prozent kann allerdings bedeuten, dass die Lebensqualität erheblich besser geworden ist. Die YBOCS-Skala ist eine Skala, die die verschiedenen Symptome quantifiziert. Im Gegensatz zu den Parkinsonerkrankungen, bei denen es einen bestimmten Test gibt basierend darauf wir vorhersagen können, welches Ergebnis der individuelle Patient erwarten kann, gibt es bei Zwangserkrankungs-Patienten keinen vergleichbaren Test.

 

Hilfe bei Zwangsstörungen / Zwängen / Zwangsneurose durch Tiefe - Hirnstimulation

Hilfe bei Zwangsstörungen  durch Tiefe Hirnstimulation-  Vorher - Nachher  -

TOURETTE UND TIEFE HIRNSTIMULATION

 

Patienten mit Tourette-Erkrankung werden seit 1999 ebenfalls mit einer Tiefen Hirnstimulation behandelt. Typischerweise treten die ersten Symptome bei Tourette-Patienten im Kindesalter auf. Bei den meisten Patienten verschwinden die Symptome während der Adoleszenz, das bedeutet, dass nur eine Minderheit behandelt werden muss. Aus dieser Gruppe kann den meisten Patienten mit Tabletten und Verhaltenstherapie geholfen werden. Das bedeutet, dass nur eine kleine Subgruppe für eine THS in Frage kommt. Die Folge ist, dass weltweit seit 1999 nur 150 Tourette-Patienten mit einer Tiefen Hirnstimulation geholfen wurden. Bei den meisten Patienten gab es eine deutliche Linderung der Tic-Symptome variierend zwischen 25 und 90 Prozent. Neben der Verbesserung auf die Tics gab es bei den meisten Patienten auch eine Verbesserung auf die assoziierten psychiatrischen Erkrankungen wie Zwangssymptome und Selbstverletzung. Bei manchen Patienten sind auch stimulationsinduzierte Nebenwirkungen beschrieben, wie ein Verlust an Energie oder Veränderungen im sexuellen Verhalten.

 

 

 

Hilfe bei Tourette - Behandlung - Effekt Vorher - Nachher

Anmerkung:
Es ist auch möglich das Video mit deutschem Untertitel  anzuschauen.

Die Übersetzung ist allerdings so schlecht, das wir hier drauf verzichten und eine kurze Erläuterung geben.

 

Dem Patienten war es vor der Tiefen  Hirnstimulation nicht möglich das Haus zu verlassen.

Auch  heute noch kommen Tics vor - jedoch wesentlich seltener, leichter und kürzer.

 

Heute kann der Patient auch in Clubs gehen - oder wie hier eine Pressekonferenz geben - und ein ganz anderes Leben führen.

 

Ansonsten sprechen sicher die Bilder  Vorher / Nachher auch  für sich selbst.

 

WEITERE  KRANKHEITEN UND  TIEFE HIRNSTIMULATION

EPILEPSIE UND TIEFE HIRNSTIMULATION

 

 

Epilepsie ist, neben Bewegungsstörungen und psychiatrischen Erkrankungen, eine Erkrankung deren Symptome auch ihre Ursache in elektrischen Störungen im Gehirn haben. Epilepsiepatienten, denen nicht mit Tabletten mehr geholfen werden können, versucht man erst mit der klassischen Chirurgie zu helfen, wobei erst untersucht wird, ob es eine Möglichkeit gibt, den epileptischen Herd zu entfernen. Wenn dies nicht möglich ist gibt es bei bestimmten Patienten die Möglichkeit, eine Tiefe Hirnstimulation durchzuführen. Eine THS bei dieser Indikation wird von den Krankenkassen vergütet.

 

 

ALZHEIMER UND TIEFE HIRNSTIMULATION

Zu guter Letzt gibt es die Alzheimer-Erkrankung, für die ein großes Interesse besteht, eine Lösung mit der Tiefen Hirnstimulation zu bieten. Eine Pilotstudie mit sechs Patienten hat gezeigt, dass bei den meisten Patienten der Rückgang, der normalerweise auftritt, langsamer verläuft. Momentan wird intensiv an der Klinik für Stereotaxie der Unikliniken Köln geforscht, um die Technik zu optimieren, so dass auch in Zukunft mehr Alzheimer-Patienten mit einer THS behandelt werden können.

 

Abschließend können wir sagen,

 

dass basierend auf den langjährigen Erfahrungen mit mehr als 120.000 Patienten, wir ganz genau wissen, dass die Risiken der Implantation bei der THS sehr niedrig sind

 

Neben positiven Ergebnissen bei Bewegungsstörungen haben Langzeitstudien bei Zwangsstörungen und Epilepsie gezeigt, dass es auch hier bei den meisten Patienten positive Ergebnisse gibt, so dass die THS bei diesen Indikationen ebenfalls vergütet wird. Leider gibt es keine Vorhersagen durch Tests, basierend auf denen wir sagen können, wie hoch die Chance auf ein sehr gutes oder weniger ausgeprägtes Ergebnis ist.

 

Daneben gibt es noch andere Indikationen, wie Suchterkrankungen und Depressionen ( Link zu  Youtube - Video  auf Englisch Tiefe Hirnstimulation  Effekt Behandlung Vorher - Nachher ) , bei denen die THS erst bei wenigen Patienten durchgeführt worden ist, teilweise mit sehr guten Ergebnissen.

 

Für diese Indikationen werden größere Studien benötigt, um gut vorhersagen zu können, wie die Ergebnisse für die gesamte Patientengruppe sein werden.