Zwangserkrankung – Zwangsstörung Ablauf und Hilfestellung für Betroffene und Angehörige
Wie sieht eine Zwangsstörung eigentlich von außen aus und wie fühlt es sich an: Symptome, Erklärungen ?
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Ein Zwangspatient wiederholt in Gedanken ständig, gleich einem nie endenden Ritual, entweder Gedanken oder Handlungen, bis er sich „ womöglich „ sicher ist, das nichts passiert.
Das Eintreten eine "Unglücks " durch Handlungen oder Gedanken abzuwenden ist das Grundprinzip.
Der Zwangskranke weiß dabei ganz genau, das seine Rituale keinen realen Einfluss haben.
Leider sind die Rituale reichlich bizarr: Es passiert etwas ,wenn man auf die Ritzen zwischen den Bordsteinen tritt, nicht eine gerade Zahl an Wiederholungen ausführt, nicht eine Tätigkeit ohne „ falsche „ Gedanken ausführt und 1.000e Varianten – es ist also eine VER – RÜCKTE Handlung.
Sehr häufig kommt fatalerweise in den meisten Fällen auch noch ein Auslöser hinzu, genannt TRIGGER:
Wir kennen es im Grunde alle: Wir verbinden mit bestimmten Dinge bestimmte Gefühle:
Es ist banal – man möchte fast sagen normal:
Wenn wir „ Normalos „ an einem Kleidungsstück unseres Babys riechen, erreicht uns eine Flut an positiven Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen.
Ein Zwangskranker hingegegen – um im Bild zu bleiben – kann das Gefühl haben „ Um Gottes Willen, was kann ich tun , damit dem Baby niemals etwas passiert „
Schlimmer noch: Das Ganze kann an alle möglichen Dinge und Themen geknüpft sein:
Unter einer Tür durchzugehen und den „ falschen Gedanken „ zu haben, kann damit oder Millionen anderer Sorgen verknüpft sein.
Und wer meint , man brauche nur den Trigger zu meiden, liegt falsch:
Er wird sich in anderer Form wieder bilden, Ist es nicht die Tür , dann „ springt „ der Trigger auf eine andere Tätigkeit / Gegenstand:
DIE BESORGNIS SUCHT SICH STETIG NEUE AUSLÖSER – VERMEIDEN DER SITUATION IST KEINE LÖSUNG
In den meisten, aber nicht allen Fällen, geht es demjenigen nicht mal um sich selbst, sondern um
Sorge um andere: in diesem Sinne ist der Zwangserkrankte eine Art:
GETRIEBENER GEGEN SICH SELBST, UM ANDERE ZU SCHÜTZEN.
Das scheinbar Seltsame ist, dass derjenige RATIONAL, also mit seinem Verstand weiß, dass es eigentlich zwischen seinen Gedanken und Handlungen und einem vermeintlichen Unglück das passieren könnte, keinen Zusammenhang gibt.
Die Ausführung eines Zwanges verschafft eine kurzzeitige Erleichterung, Widerstand zu leisten ist enorm schwer, obgleich der Patient genau weiß, das das richtig wäre: – er fühlt sich GE – TRIEBEN,
Und immer wieder - rational der Gedanke – ich brauchte es ja nur zu lassen – Ich bin selbst
schuld- SCHULD – GEFÜHLE.
Denn er weiß: Vom Aussenbetrachter her sieht das Ganze auch VER – RÜCKT aus und darum wird das Ganze auch wo immer möglich im „ stillen Kämmerlein oder unter Ausreden „ erfolgen, der Zwangskranke ist in der ISOLATIONS - HAFT der eigenen Krankheit.
Der Beweis dafür ist: Dem Zwangserkrankten ist die gesamte Angelegenheit PEIN – LICH, er versteckt die Krankheit – Stand heute - selbst gegenüber dem Arzt 7 – 10 Jahre.
Was macht eine Zwangsstörung im Gehirn und was erklärt sie - wie sollte man darauf reagieren ?
Am meisten akzeptiert, unabhängig von den Maßnahmen, ist eine Tatsache, die man lange außen vor gelassen hat:
Das Gehirn jeder Person ist in Netzwerken oder Kreisläufen organisiert.
Gehirnzellen kommunizieren in Regelkreisläufen miteinander und innerhalb dieser liegt im
Krankheitsfall eine Störung vor.
Der Kreislauf einer Zwangsstörung beansprucht im wesentlichen zwei Strukturen, die miteinander verbunden sind: Den präfrontalen Cortex ( PFC ) und den Nucleus Accumbens ( NAcc ).
Die Darstellung im folgenden ist stark vereinfacht und zeigt die beiden hauptsächlcih beteiigten Regionen:
Den Präfrontalen Cortex ( direkt hinter der Stirn ) und den tiefer gelegen - auch entwicklungsgeschichtlich viel älteren Nucleus accumbens, die bei Entscheidungen in Verbindung stehen.
Um die Zwangsstörung zu verstehen, muß man zunächst einmal die Funktion zweier Bereiche erklären:
Der
Präfrontale Cortex ( PFC ) und der Nucleus Accumbens ( N Acc )
Der PFC ist das Gebiet, das für Abwägen, emotionale Reaktionen, Aufmerksamkeit zuständig ist.
Der N Acc ist quasi wie ein Türsteher im Tiefen Hirn mit elementarer Rollle.
Hier erklären wir nur die Folgen, die Biologie und die dahinter auf der nächsten Seite.
Möglich geworden ist diese Einsicht seit rund 30 Jahre durch die enormen
Fortschritte bei der Bildgebung durch MRT und PET.
Angefangen hat die Forschung im Grunde mit einem Verfahren und dem araus resultiernden oben,das den Energieverbrauch in verschiedenen Hirnteilen misst.
Rechts der Energieverbrauch im Gehirn eines Zwangskranken ( OCD ) :
Gelbe und rote Bereiche belegen dabei einen hohen Energieverbrauch bei der Zwangserkrankung und auch den Ort, WO dies stattfindet
Er ist um ein Mehrfaches gesteigert - und zwar im PFC
und im N Acc.
Wichtig ist das deswegen, weil man nun getrost solche Sprüche , wie „ Einbildung „ , „ Anstellerei „, „ Reiß Dich zusammen „ oder „ Dann lass es doch „ endlich vergessen kann.
Wichtig ist für das Verständnis:
Das Gehirn macht zwar nur 2-3 % des Körpergewichtes aus, aber benötigt dafür überdurchschnittlich viel Energie. Genau genommen, benötigt das Gehirn 20% der Energie, die insgesamt zur Verfügung steht.
In der Lage in der ein Zwangskranker ist, ist es demnach eine gewaltige Menge mehr.
DAS sollte man immer bedenken, wenn der Patient müde, gereizt oder unwirsch reagiert, oder man ihm vorwirft sich nicht „ anzustellen“:
Kein Mensch tut sich das freiwillig an !
Als Angehöriger: Nehmen Sie das Geschehen ernst und als reale Belastung wahr und zeigen Sie dafür Verständnis, sonst belasten Sie den Betroffenen zusätzlich.
Das Bild zeigt nur eine Momentaufnahme, aber bedenken Sie; Je nach Lage der Dinge besteht dieser Zustand bis zu 16 Stunden am Tag.
Was das Gehirn dabei auf keinen Fall machen kann, sind die lebenswichtigen Funktionen abzuschalten.
Konzentration oder Denken gehören NICHT dazu und deswegen ist es ebenso außerordentlich anstrengend, gegen die Zwänge anzukämpfen.
Immer findet der uralte Kampf - oder Flucht – Mechanismus *
statt:
Der Zwangserkrankte hat einen Zwangsgedanken
1 .weiß das dieser irrational ist,
2. kämpft dagegen an
3. verliert diesen und führt das Ritual aus
4. fühlt sich schuldig, weil er versagt hat, zu widerstehen
Als Angehöriger / Bekannter Im Rahmen der Zwangserkrankung: Wenn es Ihnen gemeinsam mit dem Betroffenen möglich ist, suchen sie nach Ruhe - Inseln: Ablenkung, Gespräche außerhalb des Zwanges und anderes können nützlich sein - selbst wenn sie nur 5 Minuten den Zwang " brechen "
Nicht vergessen sollte man auch, das Zwänge ( auch Gedankenzwänge ) auch physisch Energie im Körper verbrauchen:
Ob man dem Zwang nun nachgibt oder ihm zu widerstehen versucht:
Über das vegetativen Nervensystem erfolgt eine schlagartige Freisetzung von Adrenalin und das Herzminutenvolumen, die Körperkraft (Muskeltonus) und die Atemfrequenz erhöht. Bei einer Dauerbelastung werden zusätzlich stoffwechselanregende Hormone wie Cortisol ins Blut abgegeben .
* Der Kampf - oder Flucht Mechanismus ( Fight or Flight ) ist jedem Menschen und auch Tieren seit
Urzeiten angeboren.
Er ist in real gefährlichen Situation überlebenswichtig und daher wohl einer der ältesten Urtriebe.
Er entscheidet für Mensch und Tier darüber , ob es besser ist in einer gefährlichen Situation ( etwa ein Löwe ) wegzulaufen oder zu kämpfen.
Genau in einer solchen - " aber falsch interpretierten - Entscheidungsfalle " sitzt der Zwängler ständig.
Als Angehöriger / Bekannter im Rahmen der Zwangserkrankung: Ist der Betroffene gerade im Zwang voll gefangen ist die Erschöpfung zu groß: Warten Sie gegebenfalls eine bessere Situation ab.
Wenn Sie der Meinung sind, das dies der klare Verstand einfach lösen müßte, müßen sie wissen welch gewaltigen Druck die Emotionen - übrigens auch beim gesunden Menschen die Emotionen ausüben.
Der Neurobiologe Dieter F. Braus gibt etwa Folgendes an: ( 1)
Betrachtet man die zugehörige Informationsverarbeitung, so kann der Verstand über kortikale Areale 4-7 Aspekte gleichzeitig bearbeiten (entsprechend 50 Bit/s).
Die Emotion dagegen schafft bis zu 64 Aspekte gleichzeitig (über 5 Mio. Bit/s).
Das ist ein Faktor von 100.000 mal !
Das Kräfteverhältnis hat der Forscher Dr Lehrer sehr schön illustriert (2)
Das nur als Beispiel, welche Kräfte dort im Spiel sind, denn " natürlich " läuft bei 97 % der Menschen
der Vorgang - jedenfalls meistens - logisch - ab.
Der Nucleus Accumbens als zweite wichtige Schaltstelle der Zwangsstörung
Nun haben wir davon gesprochen, das Vorgänge im Gehirn in allen Aspekten in Regelkreisen abspielen und mit der " emotionalen Schwelle " im Präfrontalen Cortex einen Kandidaten für die Zwangsstörung gefunden.
Demzufolge ist möglicherweise ein weiterer Bereich ein Aspirant für das " Versagen " des normalen Verhaltens; Auch der wurde als überaktiv im PET ( 1. Bild erkannt ).
Der Nucleus accumbens ( N Acc ) ist eine bohnengroße Struktur in den Basalganglien.
Die Basalganglien sind entwicklungsgeschichtlich sehr viel älter, liegen sehr viel tiefer im Gehirn ( was im Übrigen auch nahelegt, das sie besonders schützenswerte und automatische Aufgaben ausführen.
Der Accumbens hingegen bewertet Situationen. Der Nucleus accumbens ist auch mit dem emotionalen Gedächtnis verbunden.
"Auf diese Weise kannst du Situationen analysieren, um zielgerichtet Änderungen vorzunehmen, deine Bemühungen auf ein Ziel auszurichten oder dich zu entscheiden, dass es am besten ist, dich für den Moment zurückzuziehen.
Er hilft dir, Informationen zu lernen und zu verarbeiten. Motivation und Lernen gehen Hand in Hand.
In der Tat hätte der einfache Akt des
Verstehens, der Integration von Wissen in dein Gehirn und des Erinnerns von Informationen wenig Sinn, wäre da nicht die emotionale Komponente, an der der Nucleus accumbens wesentlich beteiligt
ist. " 3 )
Gehen wir von einem „ einfachen „Zwang aus : „ Der Patient schaltet den HERD aus, er vebindet damit Gedanken, was passieren könnte, wenn er sich geirrt hat, und versichert sich erneut und zwar in den meisten Fällen in immer häufigeren Maße – zusätzlich weiß er genau, das nach 10 mal Kontrollieren, weitere Kontrollen sinnlos sind.
NACHGEBEN, WIDERSTAND LEISTEN - GEFÜHL Und VERNUNFT stehen sich gegenüber
In der Zwischenzeit ist die Überlegung längst beim N ACC angekommen, der quasi eine Durchgangstür darstellt und bewertet, ob einmal Kontrolle genug ist und mir ein sicheres GEFÜHL gibt:
Bei einem Zwangskranken wird die Antwort immer häufiger NEIN lautet.
Fatalerweise sendet der Accumbens seine Antwort auch auf direktem Weg in den PFC und erschwert die Entscheidung zu Lasten des BESSEREN WISSENS.
In zunehmendem Maße lässt sich diese Tür nicht mehr ignorieren und sendet automatisch „ das innere „ UNGENÜGEND " an den PFC.
Je schwerer der Fall wird, desto weniger braucht es äußere Auslöser ( Trigger ): Der N Acc wird zu einer immer schneller wirkenden „ Drehtür „.
Bei einem Zwangskranken wird die Antwort immer häufiger NEIN lautet.
Fatalerweise sendet der Accumbens seine Antwort auch auf direktem Weg in den PFC und erschwert die Entscheidung zu Lasten des BESSEREN WISSENS.
In zunehmendem Maße lässt sich diese Tür nicht mehr ignorieren
und sendet automatisch „ das innere „ UNGENÜGENDE ENTSCHEIDUNG " oder besser " NICHT
GENÜGEND INFORMATIONEN " an den PFC.
Je schwerer der Fall wird, desto weniger braucht es äußere Auslöser ( Trigger ): Der N Acc wird zu einer immer schneller wirkenden „ Drehtür „.
EXPERTEN SPRECHEN DANN AUCH VON EINER HYPERSYNCHRONISATION DER IMPULSE.
Seine anatomische Lage - und seine Funktion. die eigentlich Nachdenken eher überflüssig machen sollte, auch das er ein aus den Fugen geratener " Quasi - Automatismus " ist, machen eine Therapie außerordentlich schwer / aber machbar - indem man eben das "andere Areal PFC" trainiert ".
Aus meiner Sicht, ist der Accumbens wohl auch gerade dazu da, nicht alles zu durchdenken, sondern als " Parkplatz angeborener, erfahrener und gemachter Erfahrungen und Emotionen ".
Das er nicht korrekt funktioniert mag genau so an funktionellen Fehlern ( Stichwort Serotonin ) als an den erläuterten Faktoren liegen.
Ich denke aber, das es genau diese Eigenheit ist, die die Therapie so schwierig machen.
Als Angehöriger / Bekannter im Rahmen der Zwangserkrankung:Last But not Least: Lassen Sie sich nicht in eine Zwangserkrankung einbinden , etwa indem sie Kontrollaufgaben oder Ähnliches übernehmen ( sogenanntes Delegieren ) - Sie fördern den Zwang nur noch mehr !
Quellen
1 ) Professor Dieter F. Brauss : Grundlagenforschung für die Psychiatrie des 21. Jahrhunderts, S. 80
2) J. Lehrer Driven To Merket, Nature 2006;443, 502 - 505
3) https://gedankenwelt.de/der-nucleus-accumbens-ein-zentrum-des-lernens-der-motivation-und-des-vergnuegens/